Mittwoch, April 13, 2005

Friedhof

Ich war wieder einmal am Friedhof, am Grab meiner Vorfahren würde ich gerne schreiben, aber das geht nicht, denn ich lebe zur Zeit weit von der Gegend entfernt, in der meine Großeltern gelebt haben. So besuche ich das Grab der Vorfahren meiner Freundin. Ich habe sie gekannt, sie sind also nicht fremd für mich.
Ich hatte einen Räucherkegel in meiner Jackentasche und den habe ich, anstatt einer Kerze, angezündet. Als der feine, duftende Rauch über die Gräber zog, fand ich das sehr friedvoll und schön, denn es symbolisierte für mich eine Art Brücke zu den "Geistern" der Vorfahren.
Zwei Aspekte beschäftigen mich in letzter Zeit (möglicherweise ist das auch der Grund, warum ich nun gerne auf Friedhöfe gehe, im Gegensatz zu meiner Kindheit, als ich diese Orte immer mied und ich eher Angst davor hatte) - wie auch immer man "Geister" oder "Geistwesen" definiert, sie werden in unserer Kultur meist negativ dargestellt - sollte es sie wirklich geben, warum sollte zum Beispiel der Geist meiner Großmutter mir feindlich gesinnt sein? Der Gedanke ist einfach absurd. So stelle ich mir vor mit meinem Großvater zu kommunizieren. Ich war noch sehr jung als er gestorben ist, aber er soll mich sehr gerne gehabt haben. Es wäre doch überhaupt nicht erschreckend sondern geradezu schön, in welcher Form auch immer, mit ihm Kontakt haben zu können. Möglicherweise reicht es ja, an ihn zu denken.
Der andere Aspekt ist die Frage nach der Kontinuität im Leben. Das Frühjahr folgt dem Winter, mein Leben folgt dem meiner Eltern. Steht jeder Abschnitt für sich oder setzt sich etwas fort? Muß etwas gegeben sein, daß sich etwas fortsetzen kann? Müßte ich vielleicht in räumlicher Nähe, das heißt in der Landschaft leben, in der meine Vorfahren gelebt haben, beziehungsweise begraben worden sind? Fehlt mir der tiefere Zugang zu meiner Umwelt weil ich hier wo ich nun lebe "neu" bin, weil eben nicht die Geister meiner Vorfahren hier - ja was - hier "leben"? Und, nur so nebenbei, wenn sie sich nicht um ihre Umwelt gekümmert haben, nutzt es mir überhaupt etwas?
Solche und ähnliche Fragen stelle ich mir und ich beginne das Totengedenken in einem anderen Licht zu sehen.