Donnerstag, Jänner 20, 2005

Wind

Ich bleibe gerne stehen und schaue nach oben. Blicke hinauf zu den Baumwipfeln, zu den elegant spitz zulaufenden Fichten, den weit ausladenden Wienerwald-Lärchen, den feinen rutenhaften Buchen oder den knorrig gewundenen Eichen.
Dazu ist der Winter die ideale Zeit. Die laublosen Bäume geben Ausblicke frei, auf ein Schauspiel, das ich nur zu gerne beobachte. Wenn Böen in die Wipfel fahren und sie meterweit hin und her treiben, oder sich der Wind sanft mit den kahlen Kronen spielt, schwanken die riesigen Bäume, geben nach, feden zurück, so biegsam und elegant, daß man ganz vergißt, was sich da bewegt. Äste und Zweige wiegen sich, manchmal gemeinsam und sanft, wie in einer großen Woge, die den ganzen Wald erfaßt, dann wieder in einem wirren Durcheinander, als spürte jeder Baum seinen eigenen Windstoß. Dann werfen sich manche wild hin und her, während andere fast unberührt danebenstehen, da fließen Kronen ineinander, werden auseinandergerissen und geben den Himmel frei, schlagen Äste krachen gegeneinander, peitschen Zweige entfesslt wild um sich, als könnten sie die Nähe der anderen Bäume plötzlich nicht mehr ertragen, um sich gleich darauf wieder zu beruhigen und nur mehr leicht im Wind zu schwanken.
Überhaupt, wenn man nur die sich bewegenden Baumkronen im Blickfeld hat, steigt das Gefühl auf, als blickte man auf eine unruhige See. Vielleicht wird man sogar seekrank, wenn man nur lange genug schaut.