Mittwoch, Jänner 12, 2005

Barfüßig

Jetzt, bei diesem Wetter, lasse ich es lieber bleiben, doch wenn es wieder wärmer geworden sein wird, werde ich es wieder tun.
Barfüßig gehen.
Der direkte Kontakt mit dem Boden erschließt einfach eine neue Welt. Wenn die Füße wieder spüren, worüber man geht, sei es ein feucht kalter Lehmboden im Schatten alter Bäume, sei es ein wohlig weicher Nadelstreuboden unter großen Fichten, oder der unangenehm steinige Belag der Forststraßen, setzt man seine Schritte wieder bewußter und vorsichtiger. Und wenn nicht, spürt man es jedenfalls sofort. Aber auch die Landschaft erschließt sich einem deutlicher. Die Füße spüren die Feuchtigkeit kleiner Rinnsale, die unter Blättern für das Auge verborgen bleiben, sie bemerken karge, steinige Böden und sie lassen sich von Moospolstern verwöhnen.
Aber unser gegenwärtiger Zugang ist eher darauf ausgerichtet, durch möglichst festes Schuhwerk völlig unabhängig vom Untergrund, auftreten zu können. Wir brauchen uns nicht darum zu kümmern, worauf wir treten, wo und wie wir auftreten, wir können es durch Berg- und Wanderschuhe einfach. Dadurch entgeht uns aber Vieles. Nicht nur die Art und Weise wie wir uns bewegen verändert sich dadurch, sondern eben auch was wir über unsere Sinne auf- und wahrnehmen.
Ich erinnere mich noch gut an die abschätzigen Blicke mit denen ich bedacht wurde, als ich, im Taunus den Spuren des römischen Limes folgend, barfußgehend einer Gruppe "echter" Wandersleute begegnete. "Schaut euch den an, geht der doch barfuß". Für diese Leute war es offensichtlich völlig absurd ohne Schuhwerk, was heißt Schuhwerk, ohne feste Wanderschuhe, unterwegs zu sein.
Unsere Trennung von der Natur ist so alltäglich, so selbstverständlich geworden, daß es nur noch verwundert. Dabei ist es noch gar nicht lange her. Ich weiß selbst von meinem Vater, daß er als Kind im Sommer meist ohne Schuhe unterwegs war. Aber dafür dürfen wir heute in Wellness-Hotels dafür bezahlen, eigene Fußreflexzonen-Parcours benutzen zu dürfen.