Freitag, Dezember 03, 2004

Sus scrofa primae

Für ein paar kurze Momente, einige rasende Sprünge lang, wie ein Torpedo, zumindest wie ich mir ein Torpedo vorstelle, rasch, doch nicht zu schnell, elegant, aber nicht grazil, mit Körper, doch nicht plump und dennoch mit großer Kraft und Wucht. Aus dem Jungwuchs kam es, keine zehn Meter von mir entfernt, aufgeschreckt von meinem Hund (das erste Mal, daß mir mein Hund eine Sichtung ermöglichte, denn normalerweise ist es ja umgekehrt). Und ich war schon viele Stunden meines Lebens im Wald, doch es war heute das aller erste Mal, daß ich eines in freier Wildbahn gesehen habe. Im Tierpark, im Gehege, ja, da schon öfters, auch tot und ausgenommen beim Fleichhauer, selbst als Bettvorleger, natürlich auch tot. Aber in freier Wildbahn? Noch nie.
Nur Sekunden, in denen ich nicht viel erkennen konnte. Und was schon, fehlt mir doch jeder Vergleich und damit jede Erfahrung. War es groß? Nicht wirklich, dazu war es alleine, also denke ich mir, daß es ein Jährling, ein sogenannter Überläufer war. Hauer, also die vorstehenden unteren Eckzähne sind mir nicht aufgefallen, also tippe ich auf eine Bache, das heißt ein weibliches Stück. Dunkles, dunkelbraunes Fell, fast schwarz, nicht umsonst nennt man es Schwarzwild, mit den kräftigen Borsten, die es so struppig aussehen lassen. Dieser großen Kopf und dennoch wohlproportioniert und kompakt, meilenweit von seinen verunstalteten und überzüchteten domestizierten Verwandten entfernt. Dieses bewegte sich behende, doch sichtlich in Panik, ein gewagter Sprung über die Böschung und nach zwei, drei weiteren Sätzen war es im Wald schon wieder verschwunden.
Es ging alles sehr rasch und erst hinterher war ich froh, nicht in seinem oder ihrem Weg gestanden zu haben. Ich wäre zu langsam gewesen, um auszuweichen und einen Zusammenstoß möchte ich nie erleben.
Das war's, meine erste Wildschweinsichtung.