Dienstag, Dezember 21, 2004

Seltene Wintergäste

Von den Rabenvögeln kommen im Wienerwald nur wenige vor. Das täuscht vorallem im Winter, wenn die vielen Saatkrähen unsere direkten Nachbarn werden. Denn nur die offenen Gartenflächen beziehungsweise die offenen Wiesen und Felder ziehen sie an. Im Wald sucht man sie vergebens. Ein sehr ähnliches Aufenthaltsgebiet haben auch die wenigen, ständig hier lebenden Aaskrähen, auch sie bevorzugen die offenen Flächen und die Waldränder. Elstern fehlen völlig, denn ihnen sind die paar offenen Flächen, die von riesigen Waldgebieten umschlossen sind, viel zu wenig. So bleibt als einziger wirklicher Waldbewohner der Eichelhäher.
Und dann gibt es noch gelegentlich im Winter Gäste, deren Rufe ich so gerne höre. Raben. Sie sind viel scheuer, bleiben in entlegeneren Waldgebieten und müsen sie bewohntes Gebiet überfliegen, dann tun sie es in größerer Höhe. Aber zum Glück können sie ihren Schnabel nicht halten, und so verraten ihre Laute ihre Anwesenheit.
Ich hatte wieder einmal mein Fernglas dabei, als ich vom entfernteren Troppberg, auf dem eine Aussichtswarte steht, ihre Rufe hörte. Die Warte war ohnehin mein Ziel gewesen und so hoffte ich, im Schutz des Waldes mich unbemerkt annähern zu können. Bis ich bei der Warte angekommen war, war von den Raben nichts mehr zu hören. Etwas enttäuscht erstieg ich das Metallgerüst der Warte. Sie ist sehr filigran ausgeführt. Eine offene Metallkonstruktion, einem Bohrturm gleich, bildet den tragenden Innenteil, auf dem an Stahlseilen hängend eine Art viereckige Wendeltreppe, nur aus Metallgittern bestehend, zur Aussichtsplattform führt. Auf ihr befindet man sich gerade über den Baumwipfeln und hat eine herrliche Aussicht nach allen Seiten.
Auf der Plattform ist man natürlich sehr exponiert, doch das erhöht ihren Reiz nur. Es ist herrlich direkt dem starken Wind ausgesetzt zu sein und einmal von oben auf das wogende Meer der Baumwipfel herabsehen zu können. Und die filigrane, offene Konstruktion verstärkt das Gefühl, sich in den Baumkronen zu befinden, denn der Blick kann fast ungehindert in alle Richtungen, selbst nach unten, schweifen.
Dort oben angelangt, konnte ich die Raben wieder hören, sie waren noch in der Nähe. Irgendwo in den Bäumen des in den Höbersbachgraben abfallenden Abhangs. Aber die schwarzen Vögel vor dem dunklen, wirren Hintergrund des Waldes ausfindig zu machen gelang mir nur kurz. Na wenigstens konnte ich sie hören.
Später, nachdem ich kurz bei meinem Hund am Fuße des Aussichtsturmes gewesen war, hatte ich die Raben vergessen und gedankenverloren fiel mir auf, daß meine Schuhe schneeüberzogen waren. Ich trat mit beiden Beinen heftig gegen das Gitter, um den Schnee abzuschütteln und mit dem Krachen durchfuhr es mich, daß ich mit dem Lärm nun wohl alle Tiere gewarnt und vertrieben hätte. Und wirklich, sah ich im Tal die Raben auffliegen, doch sie flogen nicht weg sondern kamen zur Warte geflogen. Auf zwei Fichten in der Nähe ließen sie sich nieder. Es war ein Rabenpaar und mit meinem Fernglas konnte ich sie deutlich und groß sehen und in Ruhe betrachten.
Zwei schöne schwarz-glänzende Vögel, mit ihren charakteristischen dunklen großen Schnäbeln, die offensichtlich sehr neugierig waren. Ich weiß nicht, ob es bloßes Interesse war, oder eher die Aussicht auf Futter, jedenfalls waren sie da und diese großen schönen Vögel so nahe zu sehen war etwas ganz besonderes. Leider kam jemand den Turm heraufgelaufen, das natürlich nicht geräuschlos. Ich war abgelenkt, wechselte ein paar Worte und als ich mich wieder nach den Raben umschaute, waren sie davongeflogen. Das war ihnen dann offensichtlich doch zu viel an fremdartigen Geräuschen.
Danach, selbst als ich schon wieder alleine auf der Plattform stand, sah und hörte ich sie leider nicht mehr. Nur ein Specht stieß seine klagenden Laute aus, die ich wie üblich zuerst mit denen eines Bussards verwechselte.