Dienstag, Dezember 07, 2004

Der Geruch des Holzes

Nun sind die großen Maschinen mit ihren dröhnenden Motoren und kreischenden Sägen wieder aus dem Wald verschwunden. Erntemaschinen nennen sich diese Ungetüme, die mit ihren riesigen, kettenbewehrten Rädern die Erde aufgerissen und narbenhafte Spuren zwischen den noch stehenden Bäumen hinterlassen haben. Ruhe ist wieder eingekehrt, vorerst zumindest, denn andere Maschinen werden kommen, um die zu kleinen Stapeln zusammengelegten Bloche aus dem Wald zu transportieren. Doch im Moment ist es still und wir wagen uns wieder in diesen, jetzt deutlich lichter gewordenen Waldteil. Fein säuberlich liegen die Bäume nun da, bereits entastet, in immer gleiche, vier Meter lange Stücke zersägt und nach Baumarten getrennt. Von den stachelbesetzten Transportwalzen sind die Rinden aufgerissen, aus lebenden Bäumen sind tote Holzstücke geworden.
Doch ihnen entströmt jetzt ein eigener Geruch der über dem ganzen Areal hängt. Jede Baumart riecht anders und über dem Gelände vermischen sie sich, ergeben gemeinsam einen Duft, der, wäre man blind, trotzdem sofort das frisch geschlagene Holz erkennen ließe.
Ich gehe zu den einzelnen Stapeln, um den Geruch des Holzes jeder Baumart gesondert aufzunehmen. Der würzige, nach Harz riechende Duft der Kiefer kommt einem schon auf einige Meter entgegen, auch der überwiegend herbe, von den vielen Gerbstoffen ausgehende Geruch der Eichen ist leicht zu fassen und zuzuordnen. Bei den Rotbuchen ist der Geruch auch charakteristisch, nur die Beschreibung wird da wesentlich schwieriger. Er hat sogar einen leicht süßen Ton, doch schwingt der nur mit, auf einer frisch-säuerlichen aber angenehmen zu riechenden Basis. Fichten zeigen auch geruchlich die Verwandtschaft als Nadelbäume zu den Kiefern, nur sind sie längst nicht so intensiv und herb-würzig wie diese. Zu den dezent riechenden Erlen muß man sich schon niederbücken um an den Schnittflächen zu schnuppern und der charakteristische Geruch der Hainbuchen ist, hat man ihn einmal zugeordnet, leicht wiederzuerkennen.
Auf der bearbeiteten Fläche waren auch einige Zypressen gefällt worden, doch hat mich die relative Geruchlosigkeit des Holzes, im Vergleich zu den äußerst intensiv duftenden, immergrünen Zweigen verwundert.
Das Holz jeder Baumart ist am Geruch zu unterscheiden und stehe ich im Wald und rieche diese besonderen Düfte, finde ich es schade, daß ich sie nicht einfangen und konservieren kann - nicht einmal verbal, zeigt sich doch eine erstaunliche Unfähigkeit Gerüche direkt beschreiben zu können. Nur über den Umweg des Vergleichs schaffen wir eine Annäherung. Das direkte Erleben des Geruchs ist damit aber nur schwer zu beschreiben, vermittelt uns doch unser Geruchssinn, bei allen Einschränkungen, eine viel feinere, komplexere Wahrnehmung. Man muß sich nur darauf einlassen.