Donnerstag, Dezember 23, 2004

Das Landgasthaus

Ich traf mich mit meinen Brüdern in einem Gasthaus im Prater, einem Erholungsgebiet mitten in der Stadt. Dieses Gasthaus steht am Rande des Vergnügungsparks, wo die Karusselle und Hochschaubahnen aufhören und die parkähnlichen Grünflächen beginnen. Nur gibt es rundherum noch Straßen und Parkplätze und selbst der Schienenstrang einer Liliputbahn führt daran vorbei. Doch gibt es in der Umgebung keine Geschäfte, die in der Vorweihnachtszeit die Massen anlocken und so herrschte eine ungewöhnliche Ruhe, kaum Autoverkehr, keine flanierenden Fußgänger und wohl deswegen hatten die meisten Schaubuden auch geschlossen.
Das Gasthaus und die Wege im Biergarten waren dezent weihnachtlich beleuchtet und in den Räumlichkeiten der Wirtschaft herrschte kaum Betrieb. Durch die großen Fensterscheiben sah man die schwach angestrahlten Bäume, doch verlor sich alles nach wenigen Metern in friedlicher Dunkelheit.
Einem meiner Brüder gefiel die Stimmung so gut, daß er meinte, sich in einem echten Landgasthaus zu fühlen.
Das fand ich einerseits schön, diese Vorstellung eines Gasthauses am Land, umgeben von Wiesen und Wäldern, andererseits war ich auch ein wenig baff, war die Umgebung doch unverkennbar städtisch geprägt, auch wenn es an diesem frühen Abend ausgesprochen ruhig zuging. So drängte sich der Gedanke auf, wie wenig Natur der heutige Mensch braucht, um sich einer Illusion hingeben zu können. Wie wenige Naturreste vorhanden sein müssen, um mit wirklicher Natur verwechselt zu werden. So reichen ein paar wenige Behübschungen um künstliche, vom Menschen geschaffene Systeme für natürliche zu halten. Wir lassen uns aus Unkenntnis schon sehr, sehr leicht täuschen.