Dienstag, Dezember 14, 2004

Adventschmuck (3. Advent)

Die Einkaufsstraßen sind es schon lange, aber auch viele Häuser und wahrscheinlich noch mehr Wohnungen sind weihnachtlich herausgeputzt. Nun ja, kein Wunder in der Adventzeit, ist der dritte Adventsonntag doch schon hinter uns und bis zum Heiligen Abend sind es gerade noch zehn Tage.
Nicht, daß ich der Natur eine Absicht unterstelle, oder sie gar verdächtige, uns Menschen nachzuahmen, doch es trifft sich gerade so gut - nun hat sich auch der Wald geschmückt, und wie. Ein kleines Wunderland ist entstanden und würde ich zwischen den Bäumen auch noch Rehe erblicken, müßte ich glauben, daß es sich um ein Märchenland handelt und es nur mehr eine Frage der Zeit ist, bis ich auch Feen und Kobolde erblickte.
Ich habe das erste Auftreten des Rauhreifes bereits beschrieben, aber nun sind über die Tage die Eiskristalle an den Zweigen und Ästen, an den Gräsern und Halmen, an den Blättern und Erdkrumen gewachsen, stetig mehr und mehr geworden und in einer solchen Vielzahl vorhanden, daß sie zu schwer geworden sind, herabrieseln und an manchen Orten den Boden schon weiß bedecken. Das ist nicht mehr Reif, das ist nur mehr Zauber.
Sitze ich in meinem Schreibzimmer und blicke hinaus, in den durch den Hochnebel grauen Tag, wünsche ich mir, an einem anderen Ort zu sein, oder zumindest wieder einmal einen sonnigen Tag zu erleben, um mich wieder an etwas erfreuen zu können. Doch selbst die um diese Jahreszeit schwache Sonne würde mit ihrer Wärme den Reif sofort wegtauen. Damit der Wald so verzaubert sein kann, ist es geradezu nötig, daß sie sich für ein paar Tage zurückhält. Und gehe ich hinaus bin ich damit doch an einem anderen Ort. So bekommt man den Wald nur selten zu sehen. Der Hochnebel schränkt zwar die Sicht ein, am nächsten Hügelkamm ist die Fernsicht schon wieder zu Ende, doch die Luft daunter ist klar und so ist die umgebende Nähe deutlich zu sehen. Auch sind alle feinen Strukturen nun dick weiß nachgezeichnet und man sieht an den Bäumen jeden Trieb, jede Knospe, selbst in luftiger Höhe. Der Waldrand ist wie von riesigen, staubbesetzten Spinnweben verhangen, als ob es ein wahrlich uralter Wald wäre. Und geht man zwischen den Bäumen dahin bemerkt man einen Effekt, wie bei einem Schwarz/Weiß-Negativ. Da die Stämme dunkel geblieben sind, zeichnen sich nun die weiß gewordenen Zweige besonders deutlich ab. Und genau diese weiße Zier ist es auch, die die freie Sicht in den Bestand hinein nimmt - so bleibt alles nah und heimelig.
Noch etwas bewirkt der dicke Rauhreif. Streift der Wind über die Bäume, reicht diese Bewegung aus, um die kleinen Eiskristalle rieseln zu lassen. So wird jede leichte Windböe deutlich hörbar. Wie ein zartes Rauschen fängt es entfernt an, kommt näher, wird lauter und plötzlich wird man in einen zerbrechlichen Schauer gehüllt, doch nur kurz, dann ist es wieder vorbei und das Rauschen entfernt sich, wird leiser und verstummt. Ein anderer Windhauch zieht nur in der Nähe vorbei, dann ist es wieder leise, bis ein weiterer Windstoß eine neuerliche Rieselwolke durch den Wald ziehen läßt.