Montag, September 25, 2006

Vom Sterben

Der Kreis hat sich geschlossen.
Vor elf-einhalb Jahren hat es in der Form eines kleinen, hilflosen, noch blinden Welpen begonnen und nun ist es für eine schöne, intelligente, doch seit ein paar Monaten kranke Hundepersönlichkeit zu Ende gegangen. Elf-einhalb Jahre, doch noch immer viel zu früh und der Wunsch nach noch einigen gemeinsamen Jahren hat sich somit nicht erfüllt.
Carhu, meine Malamut-Hündin, hat ihren Kampf gegen den Krebs verloren, wir haben ihr Leiden beendet und nun ist sie tot, liegt begraben in der Erde und zurück bleibt nur mehr die Erinnerung.
Ich hätte sie gerne von alleine sterben lassen, doch nach Absprache mit meiner Tierärztin haben wir sie letztendlich getötet. Die Aussicht auf ein noch tagelanges, immer schlimmer werdendes Leiden hat mich überzeugt. Eine Betäubungsspritze, damit verbunden ein tiefes Einschlafen und nach wenigen Minuten die Todesspritze. Ein paar Mal noch tiefes Luftholen, das schon fast mehr wie Seufzer klang und dann - Ruhe, nichts mehr. Nichts, was wir wieder rückgängig machen hätten können.
Nicht, daß ich glaube falsch gehandelt zu haben, doch frage ich mich ob gewisse Prozesse des Lebens, das beste Beispiel ist wohl die Geburt, nicht einfach zwangsläufig mit Schmerzen verbunden sind, ja verbunden sein müssen?
Übergänge, Transformationsprozesse, die, warum auch immer, so große Veränderungen mit sich bringen, daß sich vielleicht nur durch starke, schmerzhafte Prozesse diese Transformation bewerkstelligen läßt.
In unserer Spaß und Freude-Gesellschaft wird Schmerz unter allen Umständen vermieden und ausgeschaltet. Ob wir uns damit selbst etwas Gutes tun? Und in diesem Bestreben Leiden zu vermeiden, ja zu verunmöglichen, frage ich mich allen Ernstes, ob ich als Mensch nicht willkürlich in einen Prozeß eingegriffen habe, der einfach noch nicht zu Ende gewesen war. Habe ich Carhu den Übergang wirklich erleichtert, habe ich ihr wirklich geholfen, oder war es mehr ein Beruhigen der eigenen Befindlichkeit?
Die Augen eingefallen, die Zunge schlaff aus dem Maul hängend, der Körper noch warm und weich, Urin tritt unkontrolliert aus - mehr ist danach nicht. Noch wirkt alles so lebendig und ist doch so, wie es nie zuvor gewesen ist. Man meint sogar noch den Brustkorb sich heben und senken zu sehen. Erst langsam wird der Körper kalt und dann auch starr - das hat dann nichts mehr mit Leben zu tun, da wird es klar, daß Leben ein so selbstverständliches und doch so unbegreifliches Mysterium ist.
Was der Tod bringt, außer Kummer für die, die zurückgelassen werden, weiß ich nicht, doch wünsche ich mir einen besseren, weil vertrauteren Umgang mit dem Sterben. Ich war schon auf vielen Begräbnissen, doch dies war das erste Sterben, das ich begleiten durfte.
Es läßt mich tief beeindruckt und mit vielen Fragen zurück.

Donnerstag, September 21, 2006

Carhu

25.01. 1995 - 21. 09. 2006